Bundesrat und Landwirtschaftsminister Guy Parmelin erklärt, warum die Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» sowohl die Bauern als auch die Verbraucher benachteiligt. Nutztiere genössen in der Schweiz bereits heute einen hervorragenden Schutz.
Am 25. September stimmt das Volk über die Initiative «Nein zur Massentierhaltung in der Schweiz» ab. Der Bundesrat lehnt diese Initiative ab. Warum? Guy Parmelin: Das ist ganz einfach. Zunächst einmal sind Nutztiere in der Schweiz bereits sehr gut geschützt. Das Schweizer Gesetz ist in diesem Bereich eines der strengsten der Welt. Haltungsformen, die das Wohlbefinden der Tiere beeinträchtigen, sind verboten. Auch die Misshandlung von Tieren oder die Vernachlässigung ihrer Bedürfnisse wird bereits jetzt gesetzlich streng bestraft.
Was verlangen die Initianten darüber hinaus und warum ist das übertrieben? Wenn die Initiative angenommen wird, muss der Bund noch strengere Mindestanforderungen festlegen: Die Kriterien für die Pflege und Unterbringung der Tiere müssen verschärft werden, die Standards für den Zugang zu frischer Luft, das Schlachten und die maximale Gruppengrösse pro Stall müssen noch rigider sein. Diese neuen Anforderungen haben extreme Auswirkungen. Mehr als 3000 landwirtschaftliche Betriebe sind betroffen. Es ist nicht auszuschliessen, dass einige von ihnen aufgrund der kostspieligen Investitionen, die sie tätigen müssten, um die Vorschriften zu erfüllen, ihren Betrieb aufgeben werden. Andere werden sich vielleicht am Leben halten können, aber ihre Rentabilität wird unweigerlich darunter leiden. Was ist die Folge? Der Selbstversorgungsgrad des Landes wird sinken. Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Schweizer Landwirtschaft als Verliererin dastehen wird und der Verbraucher mit ihr.
Die Initianten sagen, dass die Schweiz diese Regeln einführen müsse, um ihren Vorsprung in Sachen Qualität und Ökologie angesichts einer ausländischen Konkurrenz zu halten, die in diesem Bereich immer stärker werde. Die Konkurrenz ist in der Tat da, und unsere Bauern werden täglich herausgefordert, ihren guten Ruf gegenüber ausländischen Importen zu wahren. Ich bin jedoch der Meinung, dass Qualitätsprodukte das Ergebnis einer Vielzahl von Faktoren sind, die die Landwirte am besten kennen. Daher sollte man ihnen unternehmerische Freiheit lassen. Sie sollen den besten Weg wählen können, um den neuen ökologischen Anforderungen der Verbraucher gerecht zu werden. Auch dem Tierschutz! Der ist auch mir als ehemaligem Landwirt extrem wichtig. Wir müssen aber auch schauen, dass wir die Rentabilität der Betriebe erhalten können. Die Planwirtschaft hat noch nie zum Erfolg geführt!
Die Initiative fordert auch, dass ausländische Produkte, die in die Schweiz importiert werden, denselben Tierschutzanforderungen unterliegen. Das ist doch gut und wird sogar den Schweizer Markt schützen. Zunächst einmal ist ein solches Vorgehen sehr schwer umzusetzen, weil es gegen die internationalen Handelsverpflichtungen der Schweiz verstossen würde. Ausserdem wäre es ein Schutz, den der Verbraucher letztendlich bezahlen müsste. Im Klartext: Seine Auswahl wäre eingeschränkt, und die ärmsten Haushalte würden unweigerlich unter den daraus resultierenden Preiserhöhungen leiden. In einer Zeit, in der wir uns mit Händen und Füssen gegen die Auswirkungen der Inflation wehren und alles daransetzen, die Versorgung unseres Landes zu sichern, scheint mir das völlig unangebracht. Ausserdem, wie wollen wir die Konformität der importierten Produkte kontrollieren? Das würde wieder einmal mehr Bürokratie bedeuten, also mehr Verwaltungsausgaben, was weder im Interesse der Unternehmer noch der Steuerzahler ist. Ich glaube, dass dies niemand will. Ich bin im Gegenteil überzeugt, dass das Wohlergehen der Tiere ohne diese Initiative genauso gut gewährleistet sein wird, weil es im Interesse unserer Bauern ist.
Dr. Philipp Gut
Dieses Interview ist in einer gekürzten Form im «Klartext» erschienen.
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Zur Person:
Guy Parmelin (SVP) ist Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Er war selbst Landwirt.