65 zusätzliche öffentliche Flächen im Aargau für die Biodiversität gewonnen

    Das Projekt «Natur findet Stadt», das vom Naturama Aargau in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern umgesetzt wird, gewinnt den Binding Preis für Biodiversität 2021. Sein cleveres Konzept hat innert Kürze grosse Wirkung entfaltet. 15 Gemeinden und über 250 Private gestalteten bereits ihre Flächen für mehr Natur und Lebensqualität um.

    (Bilder: Stefanie Würsch) Der Naturgarten Miescherheimet in Rothrist kombinert Ruderalflächen mit Totholzbeständen, Trockenmauern mit vielfältigen Stauden und Sträuchern.

    Das Projekt «Natur findet Stadt» des Naturama Aargau gewinnt aus 74 eingereichten Projekten den erstmals ausgeschriebenen und mit 100’000 Franken dotierten Binding Preis für Biodiversität. Das Grundprinzip von «Natur findet Stadt» ist deshalb so erfolgreich, weil es in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Projektpartnern ein Schneeballsystem im positiven Sinne anstösst und so laufend neue Akteure/innen für die Biodiversität gewinnt. Mit partizipativ erarbeiteten Aufwertungen von öffentlichen Flächen übernimmt eine Gemeinde jeweils Vorbildfunktion. Gartenbaubetriebe und private Gartenbesitzer/innen schliessen sich an, von Fachleuten beraten und von attraktiven Kommunikationsmassnahmen animiert. Bei der Umsetzung arbeiten Experten/innen und Praktiker/innen Hand in Hand. Sensen-Mähkurse, Standaktionen oder Arbeitseinsätze für Schulen und Interessierte laden ein zur Entdeckung und Förderung der Natur vor der Haustüre.

    45’000 Quadratmeter mehr für die Naturvielfalt
    So konnten seit 2015 im öffentlichen Raum insgesamt rund 65 zusätzliche Flächen für die Biodiversität gewonnen werden. Darüber hinaus haben über 250 Privatpersonen in ihren Gärten und auf Balkonen Ideen aus dem Projekt umgesetzt, und laufend werden es mehr. Die neuen Naturflächen, insgesamt 45’000 Quadratmeter, umfassen vielfältige Lebensräume und Nutzungen. So ist von Baumscheiben, aufgewertete Strassenbegleitflächen, Genossenschaftsgärten, Stadtparks bis hin zu entsiegelten Parkplätzen alles zu finden. Biodiversitätsaufnahmen auf einzelnen aufgewerteten Flächen belegen, dass auf kleinem Raum über 120 verschiedene Arten vorkommen können.

    Gemeinsam stark
    Wesentlicher Faktor für den Erfolg von «Natur findet Stadt» ist seine Konzeption als Verbundprojekt, in dem die öffentliche Hand und Private gemeinsam agieren. Zusammen mit dem Naturama Aargau werden folgende am Projekt beteiligten Institutionen ausgezeichnet: Die Abteilung Landschaft und Gewässer des Kantons Aargau, die Städte Baden als Initiantin sowie Zofingen, Aarau und Mellingen, die Gemeinden Wohlen, Küttigen, Rothrist, Biberstein, Obersiggenthal, Muri und Niederlenz, der Jurapark Aargau sowie die Kampagnenforum GmbH. Das Projekt wurde ab 2013 durch die Stadtökologie Baden in Zusammenarbeit mit der Kampagnenforum GmbH gestartet und inhaltlich wie konzeptionell entscheidend geprägt. Die Abteilung Landschaft und Gewässer nahm diese Idee im Rahmen des Ideen- und Projektpools auf und übertrug in der Folge die Weiterentwicklung zum heute so erfolgreichen Projekt an das Naturama Aargau. Auch die lokalen Natur- und Vogelschutzvereine, verschiedene Gärtnereien, die Firma «Wildbiene und Partner» sowie private Garten- und Arealbesitzer/innen sind am Erfolg von «Natur findet Stadt» beteiligt.

    Das beste von 74 schweizweit eingereichten Projekten
    Gesucht waren innovative Projekte im Siedlungsraum mit Vorbildcharakter. Bis zur Eingabefrist Ende Januar 2021 wurden 74 Projekte aus der ganzen Schweiz eingereicht. In einem mehrstufigen Prozess wählte die Jury unter dem Vorsitz des Weltbiodiversitätsrats-Mitglieds Prof. Dr. Markus Fischer das Preisträgerprojekt aus. Die eingegebenen Projekte werden als Katalog guter Beispiele für Biodiversitätsförderung im Siedlungsgebiet auf einer gemeinsamen Datenbank der Binding Stiftung mit «Mission B» veröffentlicht.

    In der Nähe des Schlosses Biberstein wächst neu am Rande einer vielfältigen Wiese eine artenreiche Hecke. Stein- und Asthaufen bieten Amphibien und Reptilien Unterschlupf.

    Die «Umwelt Zeitung» hat bei Jacqueline von Arx, Projektleiterin «Natur findet Stadt», Naturama nachgefragt, wie es zu dieser Auszeichnung kam.

    Der erste Binding Preis für Biodiversität geht an das Projekt «Natur findet Stadt» des Naturama Aargau. Haben Sie diese Auszeichnung erwartet?
    Jacqueline von Arx: Für den Preis erfolgte eine Preisausschreibung an der wir teilgenommen haben, von daher haben wir auf die Auszeichnung gehofft. Weil das Projekt schon seit mehreren Jahren läuft und als starkes Verbundprojekt schon viele Aufwertungen und Anlässe ausweisen kann, haben wir immer gehofft, dass diese Leistungen, die Jury überzeugen können.

    Was bedeutet dem Naturama Aargau dieser Preis?
    Es ist eine Ehre, dass das Naturama im Namen aller Beteiligten diesen Preis als Projektleiterin entgegennehmen darf. Die Auszeichnung ist ganz wichtig für das Kompetenzzentrum Naturama, weil neben dem bekannten Naturmuseum hier vieles im Stillen erarbeitet wird – meist in begleitender und beratender Funktion auftreten.

    Wie ist dieses Projekt entstanden?
    Start des Prozesses war 2013 die Eingabe von Corinne Schmidlin (privat) und Martin Diethelm (Kampagnenforum) beim kantonalen Ideen- und Projektpool. Der Gewinn bei dieser Ausschreibung ermöglichte die Ausarbeitung und Pilotphase mit Projektleiterin Barbara Finkenbrink in Baden 2015/2016. Danach übergab Baden die Projektleitung an den Kanton und dieser beauftragte das Naturama das Projekt kantonal umzusetzen. Seit 2018 sind 15 Gemeinden ins Projekt gestartet.

    Im Projekt «Natur findet Stadt» wurden viele kleine Strassen­begleitflächen als Ruderalstandorte mit vielfältiger einheimischer Flora gestaltet, wie hier in der Stadt Baden.

    Sie haben es geschafft mit diesem Projekt insgesamt 45’000 Quadratmeter mehr für die Naturvielfalt zu schaffen. Woher dieser Erfolg?
    Schon Baden hat in zwei Jahren beeindruckend viele öffentliche Flächen aufgewertet und dank gratis Gartenberatungen viele Private dazu animieren können, den eigenen Garten naturnah aufzuwerten. Nun läuft das Projekt gar in 15 Gemeinden, das ergibt eine grosse Kraft.

    Wofür setzten Sie das Preisgeld von 100’000 Franken ein?
    Der Binding Stiftung ist es ein Anliegen, dass das Preisgeld einen Mehrwert für das Projekt bringt. Wir haben einen Strauss an verschiedenen Ideen, diese gilt es nun zu besprechen. Wir werden mit dem Kanton und der Binding Stiftung in den nächsten Wochen eine Auswahl treffen.

    Corinne Remund


    Binding Preis für Biodiversität

    Der Binding Preis für Biodiversität ist mit 100’000 Franken der höchstdotierte Naturschutzpreis der Schweiz. Ausgezeichnet werden wegweisende Leistungen zur Förderung der Vielfalt von Lebensräumen, Arten und genetischen Ressourcen sowie deren Wechselwirkungen. Im Fokus steht dabei derzeit ausdrücklich der Siedlungsraum. Der Preis wird künftig jährlich vergeben. www.preis-biodiversitaet.ch


    Sophie und Karl Binding Stiftung

    Die Sophie und Karl Binding Stiftung ist eine Förderstiftung mit Sitz in Basel, die sich schweizweit in den Bereichen Umwelt, Soziales und Kultur engagiert. Dafür setzt sie jährlich rund 3 Mio. Franken ein. Von 1987 bis 2016 vergab sie den Binding Waldpreis für vorbildliche Waldpflege. www.binding-stiftung.ch

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