«Mit innovativen Lösungen die Energiewende mitprägen»

    Um die Klimaziele 2050 zu erreichen, muss sich das Schweizer Energiesystem transformieren. Die BRUGG Group will mit ihren Technologien diese Entwicklung mitprägen und setzt dafür neben Innovation auch auf die Digitalisierung. Dr. Stephan Wartmann, CEO BRUGG GROUP, gibt einen Überblick.

    (Bilder: zVg) Fernwärme als Teil der zukünftigen Energieversorgung. Aus Galgenen (CH) versorgt ein überregionales Rohr­leitungsnetz Gebäude jeglicher Art mit natürlicher, regionaler Wärme.

    Die Welt ist im Wandel. Pandemiebedingte Lieferengpässe, der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel sind grosse Herausforderungen für die Gesellschaft und die Unternehmen. Wie spüren Sie und die Gruppe BRUGG diese Herausforderungen?
    Stephan Wartmann: Ja, die aktuelle Situation ist herausfordernd. Zum Glück haben wir die Anzeichen einer globalen Verknappung ernst genommen und früh in unsere Lieferfähigkeit investiert. Dies zahlt sich nun aus. Entscheidend ist aber immer auch die Agilität und die Flexibilität unserer Mitarbeitenden. Deutlich komplexer ist es beim Klimawandel. Doch wir sehen in den vielen Herausforderungen des Wandels auch diverse Fragestellungen, bei welchen wir mit unseren Produkten und Lösungen die Energiewende mitprägen und einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen können. Bei unseren strategischen Innovationen orientieren wir uns konsequent an der Nachhaltigkeit, Sicherheit und Umweltthemen.

    Sie sagen, dass die BRUGG Group die Energiewende mitprägen will. Nennen Sie ein konkretes Beispiel, wo sie diese Transformation mitprägen wollen.
    Wenn ich das Zielbild der klimaneutralen Schweiz 2050 des Bundesrats betrachte, sehe ich bereits heute diverse Bereiche, welche wir mitprägen. So sollen beispielweise bis 2050 rund 3.6 Millionen E-Fahrzeuge auf den Schweizer Strassen unterwegs sein. Hierfür ist eine ausgebaute Ladeinfrastruktur entscheidend. Mit den Schnellladekabeln unserer Tochterfirma BRUGG eConnect können Elektroautos je nach Typ in 8 – 15 Minuten geladen werden – das ist weltführend. Die E-Mobilität wird in Zukunft aber nicht nur auf der Strasse an Wichtigkeit gewinnen – auch elektrische Kommunal- und Transportfahrzeuge, Busse, E-Boote oder E-Kleinflugzeuge folgen. Und auch hier ist das schnelle Laden entscheidend.

    Stephan Wartmann, CEO der BRUGG Group

    Ein weiteres, zentrales Element der zukünftigen Energieversorgung könnte die Fernwärme sein. Ziel ist es, überschüssige Prozesswärme aus der Industrie oder Abfalltrennung optimal zu nutzen. Wie schätzen Sie das Potential ein?
    Heute beträgt der Anteil an Fernwärme in der Schweiz ca. 8 – 9%. Verglichen mit skandinavischen Ländern, wo der Anteil bei über 50% liegt, ist die Quote in der Schweiz verschwindend klein. Das Potential schätze ich daher sehr hoch ein. Wichtig dabei ist jedoch, dass die Wärme ohne grossen Wärmeverlust transportiert wird. Auch hier haben wir in nachhaltige Lösungen investiert: so hat BRUGG Pipes ein Fernwärme-Rohrsystem entwickelt, welches den weltweit tiefsten Lambdawert (also bestmögliche Wärmedämmwerte) aufweist. Dies ist ein weiteres Beispiel, wie wir die Energiewende mit innovativen Lösungen aus der Schweiz unterstützen können – national wie auch international.

    Wenn wir die globalen Auswirkungen des Klimawandels betrachten, stellen wir fest, dass bereits heute in einigen Ländern neue Gefahren durch Stürme, Erdrutsche oder Steinschläge entstehen. Sichere Infrastrukturen sind dabei ein grosses Thema. Welchen Einfluss haben diese Entwicklungen auf BRUGG?
    Wie Sie gesagt haben, sind die Folgen der Klimaerwärmung auch in unserem Umfeld spürbar. Speziell auch in den Tätigkeitsbereichen von Geobrugg, welche Schutzsysteme gegen Steinschlag, Murgänge oder Lawinen herstellt, steigt die Nachfrage in neuen Einsatzgebieten. So hebt sich der Meeresspiegel an, was zu einem erhöhten Bedarf an Küstenschutzmassnahmen führt. Dazu steigen durch Wetterextreme und die höheren Durchschnittstemperaturen die Erosionsgefahren. Aus diesem Grund haben wir ein neues Drahtgeflecht-System entwickelt, welches die Infrastruktur von auftauenden Böden oder Hangbewegungen schützen. Unsere Schutzgeflechte haben einen weiteren wichtigen Vorteil – im Vergleich zu herkömmlichen Sicherungsmethoden aus Stahl, Beton oder Spritzbeton verursachen sie nachweislich rund vier Mal weniger CO2-Emissionen.

    Schutz und Biodiversität vereint: Die Böschungssicherungen aus Draht­geflecht zum Schutz gegen Naturgefahren.

    Sie haben zu Beginn unseres Gesprächs erwähnt, dass die Gruppe BRUGG stark auf die Digitalisierung setzt. Nennen Sie ein konkretes Beispiel, wo die Digitalisierung der Umwelt zugutekommt.
    Digitalisierung hängt für uns stark mit der Intelligenz unserer Produkte und Dienstleistungen zusammen. So entwickeln wir bei BRUGG-Rittmeyer prozessübergreifende Software und Messtechnik, welche die Energieeffizienz bei der Abwasserreinigung und Wasserversorgung erhöhen. Mit dem Einsatz von intelligenter Optimierungssoftware gelingen Energieeinsparungen von bis zu 40%. Solche smarten «Upgrades» bestehender Infrastrukturen sind entscheidend bei der Bewältigung des anhaltenden Bevölkerungswachstums sowie der zunehmenden Urbanisierung. 

    Wie meinen Sie das?
    Das Bundesamt für Statistik rechnet damit, dass wir bei der Schweizer Bevölkerung bis 2050 die 10-Millionen-Marke erreichen. Dies entspricht einem Bevölkerungswachstum von über 20%. Um alle diese Menschen mit Wasser, Wärme, Strom und Abwasser zu versorgen, müssen wir die öffentliche Infrastruktur ausbauen, mit Intelligenz ausstatten und wo sinnvoll die Sektorenkoppelung vorantreiben. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der gerade im Bereich der öffentlichen Versorgung akut ist. Mithilfe von digitalisierten Prozessen kann der Alltag der Mitarbeitenden erleichtert und effizienter gestaltet werden. Dabei spielen auch die künstliche Intelligenz sowie die effiziente Verarbeitung von grossen Datenmengen eine wichtige Rolle.

    Die Schnellladekabel aus Brugg-Windisch werden für die weltweit erste Schnellladestation für E-Boote in Norwegen verwendet.

    Zum Schluss nochmals zum Thema «Nachhaltigkeit» – diverse Schweizer KMU sind bezüglich Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Umweltschutz bei den internen Abläufen vorbildlich unterwegs. Wie nachhaltig sind Abläufe und Prozesse bei BRUGG?
    Wie viele andere Unternehmen haben wir in der Vergangenheit bereits verschiedene Verbesserungen vorgenommen. So installierten wir vielerorts Photovoltaikanlagen, sanieren Gebäude und haben die Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität aufgebaut. Wir wollen aber auch beim internen CO2-Ausstoss noch ambitionierter sein. Deshalb haben wir 2021 ein Forschungsprojekt mit der Fachhochschule Nordwestschweiz durchgeführt und den CO2-Ausstoss gruppenweit detailliert analysiert. Aktuell arbeiten wir mit ClimatePartner und dem High Tech Zentrum Aargau an einem weltweiten Nachhaltigkeitskonzept, welches wir ab dem Herbst ausrollen werden. Ich freue mich, wenn wir Ende Jahr über die Fortschritte berichten können. 

    Interview: Corinne Remund

    www.brugg.com


    ZUR PERSON

    Dr. Stephan Wartmann arbeitete nach dem Ingenieurstudium an der ETH Zürich als Projektleiter in den USA sowie als Start-Up Geschäftsführer in Japan. Sein EMBA absolvierte er an der Universität St. Gallen sowie in Kalifornien, bevor er von 2003 – 2013 als CEO die Geobrugg Gruppe globalisierte mit Produktionsstandorten auf allen Kontinenten. Seit 2014 ist er Konzernleitungsmitglied und seit 2019 CEO der Gruppe BRUGG.


    BRUGG Group 

    Aus der einstigen Kabelfabrik in Brugg ist mit der BRUGG Group ein typisch Schweizerischer Nischenplayer geworden, der mit mehreren Tochtergesellschaften und rund 1800 Mitarbeitenden einen Umsatz von rund 580 MCHF erwirtschaftet. Hauptbereiche sind Fernwärmetechnologie, Prozessleittechnik für Versorgung (Wasser, Abwasser, Gas, Strom, Fernwärme), E-Mobilität, Windkraft, Leichtbau und Seilarchitektur, Aufzugs- und Hebemittel, Transportbahnen sowie Schutzsysteme gegen Naturgefahren. Die Firma ist mit 19 Produktionsstätten und 17 Verkaufsorganisationen in den wichtigsten Industrieländern der Welt vertreten.

    Vorheriger ArtikelSchöner oder böser Sommer?
    Nächster ArtikelWarum die Erneuerbaren die Kernenergie ersetzen müssen