Editorial von Dr. Philipp Gut

    (Bild: zVg)

    Liebe Leserin, lieber Leser

    Im Herbst wendet sich das Blatt – buchstäblich. Nicht ganz so schnell geht es in der Energiepolitik. Doch die Frage stellt sich: Kommt jetzt die Wende von der Energie- wende?

    Bei der Planung dieser neuen Ausgabe der «Umwelt Zeitung» ist uns jedenfalls aufgefallen, dass die Themen Energie und Strom, die auf diesen Seiten immer schon eine wichtige Rolle spielten, mit Macht auf die politische Agenda drängen. Gut möglich, dass die Karten neu gemischt werden.

    So war die «Umwelt Zeitung» Medienpartner des Forums- Treffs des Nuklearforums Schweiz. Die Historikerin und Nuklearexpertin Dr. Anna Veronika Wendland hat dort im Oktober einen hochinteressanten Vortrag gehalten, und ich habe im Anschluss daran eine Podiumsdiskussion mit ihr geleitet. In dieser Ausgabe drucken wir eine gekürzte Fassung ihres Referats ab. Sie stellte es unter den Titel: «Die Klimakrise und die Zukunft der Industriegesellschaft – Brauchen wir eine neue Debatte über die Kernenergie?»

    Aufschlussreich sind ihre Ausführungen auch deshalb, weil sie die Situation sowohl in der Schweiz wie in Deutschland analysiert. Wendland schreibt: «In Deutschland wer- den daher, ähnlich wie in der Schweiz, immer mehr Zweifel an der Ausstiegsreihenfolge laut: Deutschland hätte zuerst aus der Kohle und danach aus der Atomkraft aussteigen müssen statt umgekehrt, um die immer ehrgeizigeren Klimaziele zu erreichen. In der Schweiz macht man sich zunehmend darüber Gedanken, wie es denn ausgehen soll, wenn der solide Sockel an Kernstrom fehlt.»

    Immer mehr Bürgerinnen und Bürger in beiden Ländern fragten sich, «ob es sinnvoll ist, inmitten einer von allen Politikern beschworenen Klimakrise ausgerechnet aus einer Stromerzeugung auszusteigen, die nicht nur CO2-arm ist, sondern überdies für gesicherte Leistung sorgt.»

    Für Wendland ist klar: Es ist falsch und fahrlässig, die Kernenergie aufzugeben, wenn man die Klimaziele erreichen will. Das Problem der Endlagerung sei lösbar. Der Schweiz rät sie, an ihrem bewährten Energiemix festzuhalten. Im Klartext heisst das: Die Hauptpfeiler Wasserkraft und Kernkraft sollen weiterbetrieben werden.

    Auch von anderer Seite kommt Bewegung in die Debatte: Plötzlich reden alle von Blackouts, Strommangellagen und ähnlichen Problemen. Sogar der Bund stellt eine langandauernde Strommangellage als einer der grössten Sicherheitsrisiken der Schweiz dar – mit enormen wirtschaftlichen Kosten.

    Geht uns also das Licht aus? Steht die Schweiz bald ungewollt still?

    Einen konkreten Lösungsvorschlag macht jetzt die FDP des Kantons Zug mit einer nationalen Volksinitiative. Die Initiative «JA zur sicheren Stromversorgung» soll den Bund verpflichten, Grundsätze für eine lastgerechte autarke Elektrizitätsversorgung bis 2050 festzulegen. Das heisst: Die Versorgungssicherheit muss zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein, unabhängig vom Handel mit dem Ausland.

    Wir dürfen uns auf intensive Auseinandersetzungen freuen, die beim einen oder der anderen vielleicht ein Licht aufgehen lassen!

    Neben aktuellen Themen der Umweltpolitik stellt die «Umwelt Zeitung» immer auch innovative Unternehmen vor. Besonders empfehlen möchte ich Ihnen in dieser Ausgabe das Interview mit Nicholas Hänny und Robin Gnehm, den Gründern des in Lenzburg beheimatete Modelabels Nikin. Sie demonstrieren, wie nachhaltiges und erfolgreiches Wirtschaften möglich ist und setzen dabei auf unkonventionelle Ideen: Für jedes verkaufte Produkt pflanzen sie einen Baum. Vielleicht haben die beiden wie ich einst im Französischunterricht den Klassiker von Jean Giono gelesen: «Der Mann, der Bäume pflanzte.»

    Ich kann Ihnen die Lektüre nur empfehlen – und wünsche Ihnen Anregung und Unterhaltung beim Durchstörbern der «Umwelt Zeitung», Ihrem Forum für Innovation und Debatte.

    Dr. Philipp Gut, Verleger

    Vorheriger Artikel«Wir möchten Nachhaltigkeit für alle zugänglich machen!»
    Nächster ArtikelClevere (Lade)power aus dem Aargau – weltweit