Liebe Leserin, lieber Leser
Das Leben steckt voller Energie, das erleben wir kaum je so deutlich wie im Frühling, wenn es rundherum wieder blüht und grünt. Ohne Energie geht nichts. Womöglich ist dies auch ein Grund dafür, dass wir so intensiv über energiepolitische Themen diskutieren. Sie sind im Wortsinn existenziell für uns.
Auch in dieser Ausgabe widmen wir dem Thema einen Schwerpunkt. Am 18. Juni stimmt das Volk über das sogenannte Klimaschutzgesetz ab, gegen das die Schweizerische Volkspartei (SVP) erfolgreich das Referendum ergriffen hat. Die «Umwelt Zeitung» hat zwei prominente Vertreter des Ja- und Nein-Lagers eingeladen, ihre schlagkräftigsten Argumente darzulegen.
Für ein Ja wirbt Nationalrat Balthasar Glättli, Parteipräsident der Grünen. Für ihn geht es darum, Innovationen zu fördern und das Klima zu schützen. «Bis 2050 müssen die Treibhausgasemissionen netto null erreichen – weltweit und also auch in der Schweiz», schreibt Glättli. Nur so könne die globale Klimaerhitzung gestoppt werden. Damit verbunden sei der Abschied von fossiler Energie – und das sei «auch eine grosse Chance»: «Als hervorragender Wissenschafts- und Technologiestandort haben wir die Wahl, vorne mitzumachen, neue Geschäftsfelder zu erschliessen – oder aber den Zug zu verpassen.» Das Fazit des Grünen-Präsidenten: «Die Schweiz rettet das Klima nicht allein. Aber wenn die Emissionen weltweit auf netto null sinken müssen, müssen sie es auch bei uns tun. Schweizer Innovation können den Ausstieg aus den Fossilen zudem weltweit beschleunigen. Es ist klug, diesen Weg zu gehen – und wirtschaftlich lohnend, selbst wenn es keine Klimakrise zu bewältigen gäbe.»
Ganz anderes sieht es SVP-Nationalrat und Kampagnenleiter Michael Graber. Für ihn ist das «Stromfresser-Gesetz» eine «Planwirtschaft ohne Plan». Es definiere auf den Prozentpunkt genau, bis wann welcher Sektor wieviel CO2 reduziert haben muss. «Wie genau aber dieses Ziel erreicht werden soll, wissen wir nicht.» Fest stehe indes: «In Zukunft müssten wir beim Verkehr, beim Heizen und in der Industrie auf die zuverlässigen Energieträger wie Öl, Gas, Benzin oder Diesel verzichten. Autofahren und Heizen wären praktisch nur noch eklektisch möglich. Dazu sollen wir – notfalls mit Zwangssanierungen wie in Deutschland – die Schweiz umbauen, umerzogen werden und unseren Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit opfern.» Bei einer Annahme des Gesetzes würde der Strombedarf gewaltig steigen, obwohl wir schon heute zu wenig Strom hätten. Graber weist auch auf die Kosten hin: Gemäss einer ETH-Studie könnten die Energiekosten pro Kopf und Jahr um bis zu 6’600 Franken ansteigen. Der «realitätsfremde Umbau» unseres Landes auf «Netto Null» würde laut einer Studie 387 Milliarden Franken kosten. «Wir können uns dieses teure und verlogene Stromfresser-Gesetz schlichtweg nicht leisten», so Graber.
Hochinteressant ist eine kleine Zahl, die bisher im Abstimmungskampf keine Rolle gespielt hat – dabei ist es vielleicht die wichtigste Zahl, die man im Hinblick auf den 18. Juni kennen sollte: 0.002 Grad. Das ist gemäss einer neuen Studie der University of East Anglia der Beitrag der Schweiz zu Erderwärmung seit 1850, also seit der Industrialisierung. 0.002 Grad, das sind zwei Tausendstel Grad, also so gut wie nichts. Der Treibhausgasausstoss der Schweiz hat demnach praktisch keinen Einfluss auf das Klima. Man könnte es auch so formulieren: Die Wirkung von «netto null» ist null.
Empfehlen möchte ich Ihnen schliesslich das Interview meiner Kollegin Corinne Remund mit Hansruedi Häfliger, Direktor der Liebegg, dem Aargauer Kompetenzzentrum für Landwirtschaft, Hauswirtschaft und Ernährung. «Die Bauernfamilien arbeiten gerne in der Natur und mit der Natur und haben kein Interesse diese zu schädigen, entsprechend kompetent sind sie auch ausgebildet», sagt Häfliger. Und er warnt: «Die Abhängigkeit von den Direktzahlungen und der damit verbundene administrative Aufwand führt viele Betriebe an die Grenzen der sozialen Belastbarkeit. Wenn Politik und Handel die Anforderungen nicht zurückschrauben, wird unser System früher oder später kollabieren und die Abhängigkeit von ausländischen Lebensmitteln ohne Beeinflussbarkeit der Produktionsmethoden zunehmen.»
Ich wünsche Ihnen eine energiegeladene Lektüre!
Ihr Dr. Philipp Gut,
Verleger