Die Sonderausstellung «Schatzkammer Wald» präsentiert die facettenreiche Rolle des Waldes für den Menschen seit dem Ende der letzten Eiszeit bis in die nahe Zukunft. Dr. Marc Philip Seidel, Museumsleiter Museum Burghalde Lenzburg, nimmt uns mit auf Entdeckungstour durch den Ausstellungswald. Dabei zeigt er uns den Wald aus ungeahnten Perspektiven.
Noch bis zum 26. November zeigt das Museum Burghalde in Lenzburg die Sonderausstellung «Schatzkammer Wald». Wie, auf welche Initiative ist diese Ausstellung entstanden?
Dr. Marc Philip Seidel: Das Thema Wald ist ja hochaktuell und die Ausstellung hätte eigentlich vor zwei Jahren eröffnen sollen. Doch dann kam Corona. Das Projekt war von Beginn weg mit den Forstdiensten Lenzia angedacht, denn Lenzburg ist eine «Waldgemeinde» und blickt auf eine lange Waldkultur mit Försterpersönlichkeiten zurück. Und so ist die Kulturgeschichte des Waldes eng mit unserem Stadt- und Regionalmuseum verbunden.
Wie sind die Reaktionen der Besucherinnen und Besucher bis jetzt?
Die hohe mediale Aufmerksamkeit und die durchwegs positiven Rückmeldungen freuen uns enorm. Besonders beliebt sind die sprechenden Bäume und die Schnitzeljagd durch die Ausstellung. Die Holzmärmelibahn im Freien zieht Familien aus der halben Schweiz an.
Wie holen Sie die Besucherinnen und Besucher bei dieser Ausstellung ab?
Die Ausstellung mit den verschiedenen Themeninseln weckt die Neugier und lässt sich wortwörtlich durchforsten. Wie mit einer Lupe werfen wir den Blick auf unterschiedliche Aspekte und tauchen ein in die Geräusche des Waldes, seine Sagen und Märchen, seiner langen Geschichte, aber auch seiner Bewirtschaftung. Der Wald ist ein Faszinosum, das uns alle auf die eine oder andere Art interessiert.
Der Wald hat viel Facetten. Welche Blickwinkel werden den Besuchenden gezeigt?
Wir öffnen die Tore zum Wald als Lebensraum, Inspirationsquelle und Ressource und zeigen exemplarisch, wie wir den Wald wahrnehmen und nutzen, wie er unseren Alltag, ja unser Denken beeinflusst: Der Wald, respektive der Baum ist in vielen alten Erzählungen, Kulturen, in den Weltreligionen, gar in der Werbewelt von Bedeutung. Die Interviews zeigen den Wald aber auch als Konfliktraum.
Wie viel Wald hat Lenzburg und wie geht es diesem Wald?
Es geht gut und er ist für den Klimawandel und die Zukunft gewappnet. Der Lenzburger Wald wird moderat bewirtschaftet, ausgewählte Flächen werden als sogenannte «Totholzinseln» der Natur überlassen. Unser Wald wird vielfältig genutzt und bietet reichlich Erholungsraum. Der Wald macht 50% der Gemeindefläche aus.
Die Ausstellung «Schatzkammer Wald» zeigt eindrücklich, wie sehr der Wald in unserem Leben verankert ist. Auf was werden die Besucherinnen und Besucher besonders sensibilisiert?
Der Wald ist weit mehr als «nur» ein paar Bäume im Freien. Er ist ein lebenswichtiges Element unseres Ökosystems, gar das Fundament unserer Zivilisation. Heute muss der Wald sehr viel leisten: Der Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Pilze wird auch von uns Menschen vielseitig beansprucht: Für die Holzproduktion, als Schutzwald, als Wasser- und Luftfilterstation, als vielfältiger Erholungsraum, usw. Doch alle Aufgaben kann er nicht zur Zufriedenheit aller meistern. Kompromisse sind gefragt. Es geht uns mit diesem Themenjahr letztlich um die Sensibilisierung für unseren übermässigen «Waldkonsum»: Es ist an uns, dem Wald Sorge zu tragen.
Wer ist an dieser Sonderausstellung alles beteiligt und wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit den vielen Protagonisten wie Förster, Behörden etc.?
Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Partnern erlebten wir als durchwegs konstruktiv und positiv. Unser Projekt stiess auf viel Wohlwollen und weckte grosses Interesse.
Was sind die Höhepunkte der Ausstellung?
Mich selbst fasziniert am Wald seine thematische Vielfalt. Das Themenjahr mit der gleichnamigen Ausstellung ist wohl als Ganzes ein Highlight, das archäologische, kunsthistorische, populärwissenschaftliche aber auch einfache spielerische, multimediale Zugänge gewährt.
Nachhaltigkeit und Klimawandel sind die Schlagworte. Welche Bedeutung hat der Wald heute in unserer Gesellschaft?
In den letzten Jahren, spätestens aber seit der Pandemie hat die Bedeutung des Waldes als Ausflugsziel und Erholungsraum deutlich zugenommen. Wichtig ist, dass wir dennoch Sorge tragen und uns an den «Waldknigge» halten. Der wurde vor ein paar Jahren extra entwickelt.
Wie hat sich der Wald und seine Bedeutung für uns Menschen in den letzten Jahrzehnten gewandelt?
Noch im 19. Jahrhundert war der reine Wirtschaftswald im Blickfeld. Das gesteigerte Naturbewusstsein im 20. Jahrhundert führte zum Schutz, seit den 80ern wurde der Wald als Erholungsraum wichtig. Je nachdem wird heute das eine oder andere stärker gewichtet. Besonders in siedlungsnahen Gebieten zählt der Erholungsfaktor.
Sie haben auch ein Kinderprogramm. Was möchten Sie den jüngsten Besucher vermitteln?
Spielerisch und neugierig einzutauchen in die Themenvielfalt, die uns umgibt, will die Kinder wie die Erwachsenen einladen teilzuhaben. Denn das Museum mit den verschiedenen Formaten verstehen wir als Begegnungsort, als Oase für Gross und Klein, wo es um das Entdecken, Erleben und Geniessen geht. Die Wissensvermittlung geschieht da ganz nebenbei.
Sehr vielfältig ist das Rahmenprogramm. Nach welchen Aspekten wurde dieses zusammengestellt?
All unsere Themenjahre konzipieren wird jeweils mit unterschiedlichen Vermittlungsformaten. Die Teilprojekte wie etwa den Stammtisch, das Waldfest oder den Waldfeldbau erarbeiteten wir auf eigene Initiative hin. Auch die Pop Up-Ausstellungen zu NIKIN oder zu den herausragenden Pilztafeln entstand im Museum. Die «Aussenprojekte» in den Gemeinden Ammerswil, Niederlenz, Othmarsingen, Staufen wurden von Freiwilligen selbstständig entwickelt und wo nötig mit Ideen oder Knowhow unsererseits unterstützt. Das ist das grossartige am Projekt: Verschiedenste Personen tragen mit Ideen, Wissen und Engagement zu einem vielfältigen und spannenden Schatzkammer Wald bei. Das kooperative Element regional bis überkantonal ist uns wichtig.
Höhepunkt des Ausstellungsjahres ist am 27. August ein grosses Waldfest. Was erwartet dann die Besucherinnen und Besucher?
Unser jährliches Museumsfest findet dieses Jahr im Wald statt. Wir lassen altes Waldhandwerk auferstehen, wobei Klein und Gross mit Anpacken darf – sogar das Fällen von Bäumen zusammen mit dem Forstdienst. Und natürlich ist auch für Verpflegung gesorgt. Als Abschluss findet beim Fünfweiher ein Konzert mit vier Alphornisten statt – ein ganz besonderes Walderlebnis!
Was sind weitere Höhepunkte des Rahmenprogramms?
Die Murmelbahn ist bereits jetzt ein Renner. Der Perspektivenpfad in Niederlenz ist ein wunderschönes Walderlebnis. Ein Bänkliweg mit Geschichten und Waldfacts, ein Waldkartoffelfeld, die Veranstaltungsreihe «Stammtisch», ein Military für Hundebesitzer oder ein Info-Pfad zu Wald und Wasser gehören dazu.
Warum muss man unbedingt die «Schatzkammer Wald» besuchen?
Schon der Ausstellungstitel inspiriert und macht neugierig. Hinter jedem Baum finden sich für Gross und Klein Überraschungsmomente. Die Ausstellung sorgt für Unterhaltung, liefert Denkanstösse und stellt aber auch vertieftes Wissen zur Verfügung. Man lernt den Wald aus bisher unbekannten Blickwinkeln kennen und erlebt, wie tief er mit unserem Leben und unserer Kulturgeschichte verwurzelt ist. Durch ihre Vielfältigkeit deckt sie die unterschiedlichsten Ansprüche unserer Besuchenden ab.
Interview: Corinne Remund
Informationen zum Rahmenprogramm unter
www.schatzkammerwald.ch
www.museumburghalde.ch