«Der Generationenwechsel in der Landwirtschaft ist eine ökologische Chance»

    Vor der Wiederaufnahme der sistierten Agrarpolitik 22 lanciert Pro Natura mit einer Studie einen neuen Lösungsvorschlag für die ökologischen Probleme im Kulturland. Aufhänger ist die Tatsache, dass in den nächsten 15 Jahren die Hälfte der Betriebsleitenden pensioniert wird. Dieser Wendepunkt könnte genutzt werden, um den dringend notwendigen ökologischen Wandel in der Landwirtschaft sozialverträglich umzusetzen und so Biodiversitäts- und Klimakrise zu bekämpfen.

    (Bild: pixabay) Der anstehende Generationenwechsel ist eine Chance für einen ökologischen Wandel in der Schweizer Landwirtschaft.

    Angesichts der Biodiversitäts- und Klimakrise steht der Landwirtschaft global wie national eine ökologische Transformation bevor. Die Ernährung ist, vor Wohnen und Mobilität, derjenige Wirtschaftsbereich mit den grössten Auswirkungen auf die Umwelt. Doch die heutigen Konsum- und Produktionsmuster sind alles andere als nachhaltig: zu viel Fleisch, zu viele Eier, zu viel Zucker und zu viel tierisches Fett. Das bedingt eine intensive Landwirtschaft, die ihre eigenen Grundlagen wie Biodiversität, Boden, Luft und Gewässer schleichend zerstört.

    Widerstände mit Zukunfts­perspektive überwinden
    Der politische Widerstand gegen die notwendigen Reformen ist allerdings gross. Denn entsprechende Massnahmen wirken sich auf Betriebsstrukturen, finanzielle Erträge und Zuliefererbetriebe für die Landwirtschaft aus. «Wenn Tierbestände reduziert werden, wird weniger Fleisch verkauft, weniger Kraftfutter gehandelt, es werden weniger Samendosen und Tierarztbesuche nachgefragt. Das löst den permanenten Widerstand bei den betroffenen Gruppen aus», erklärt Marcel Liner, Landwirtschaftsexperte bei Pro Natura und Studienautor. Um mehrheitsfähig zu sein, müssen politische Forderungen nach mehr Ökologie in der Landwirtschaft deshalb auch die sozialen und ökonomischen Perspektiven der Bäuerinnen und Bauern berücksichtigen. In einer neuen Studie zeigt Pro Natura, wie der anstehende Generationenwechsel in der Landwirtschaft dazu genutzt werden könnte, den Graben zwischen den kurzfristig nachvollziehbaren Widerständen und dem längerfristig dringend notwendigen Wandel des Landwirtschafts- und Ernährungssystems zu überbrücken.

    Den Wandel individuell planbar machen
    Die Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebsleitenden erreicht in den nächsten 15 Jahren das Pensionsalter. Da ab diesem Zeitpunkt die Direktzahlungen wegfallen, werden die Betriebe in der Regel an eine Nachfolge übergeben, oder die Flächen verpachtet oder verkauft. «Heute muss jeder Hof in der Schweiz neue Anforderungen ab einem Stichdatum übernehmen. Die Hofübergabe bietet dagegen die Chance, dass jeder einzelne Betrieb ökologisch notwendige Anpassungen für sich planen und auf die Stärken der nächsten Generation ausrichten kann», betont Liner.

    Wie das geht, zeigt das Beispiel von Biolandwirt Markus Fischer. Vor zwölf Jahren hat er den Biohof in Bäretswil (ZH) von seinem Vater Gerhard Fischer übernommen. Er hat die Übergabe genutzt, um den Kraftfutterzukauf einzustellen, die ökologisch vorteilhafte saisonale Abkalbung einzuführen und Biodiversitätsförderflächen in einer höheren Qualität anzumelden. «Wir konnten den anstehenden Wechsel gemeinsam planen. Heute produziert der Biohof nicht nur biodiversitäts- und klimafreundlicher, sondern unser Einkommen ist auch in Zukunft gesichert», so Fischer.

    Dem Trend zu nachhaltiger Ernährung folgen
    Um ökologische Veränderungen zu fördern, gibt es im Landwirtschafts- und Gewässerschutzgesetz diverse Regulierungen, welche statt auf ein Stichdatum besser beim Generationenwechsel umgesetzt werden könnten. «Es könnten beispielsweise neue Prämien für Betriebe eingeführt werden, die nach der Übergabe nur noch mit eigenem Futtermittel wirtschaften, oder Direktzahlungen könnten daran geknüpft werden, dass die nächste Generation biologisch produziert. Für solche Massnahmen könnten spezifische Investitionskredite gewährt werden, und die Kantone könnten ein entsprechendes Beratungsangebot aufbauen», zählt Liner auf.

    Auch Pro Natura Präsidentin und Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel ist von dem Ansatz überzeugt: «Es braucht neue, sozialverträgliche Instrumente, um die blockierte Agrarpolitik 22 wieder auf Kurs zu bringen. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats hat es in der Hand, ab dem 27. Juni unsere Vorschläge zu prüfen und hoffentlich dafür zu nutzen, die ökologischen Ziele der Landwirtschaft zu erreichen und der Branche eine Zukunftsperspektive aufzuzeigen, die dem Trend Richtung gesunde und nachhaltige Ernährung folgt.»

    pd

    www.pronatura.ch

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