Beruf und Familie vereinbaren

    Eine Familie zu führen ist auch eine Managementaufgabe, sagt Andreas Link. Die Stiftung für die Famile hat ein einfaches Schema erarbeitet, mit dem die in der Familienführung erlernten Fähigkeiten in die Sprache des Arbeitsmarkts übersetzt werden.

    (Bild: Pexels) Kinder erziehen ist auch Arbeit

    Herr Link, ist die Erziehung der Kinder eine Management-Aufgabe?
    Andreas Link: Auf jeden Fall! Eltern sind bei der Erziehung ihrer Kinder gewissermassen gezwungen, auf eine umfangreiche Palette von Fähigkeiten zurückzugreifen, welche im mittleren und oberen Management von Unternehmen ebenfalls benötigt werden. Sie müssen zum Beispiel den Tagesablauf für und mit ihrem Kind sorgfältig planen und dabei gleichzeitig ein hohes Mass an Flexibilität aufbringen. Agile Leadership trainieren Eltern so jeden Tag, zwangsläufig und beiläufig. Und da es bei Erziehung ja immer um Menschen geht, trainieren Eltern regelmässig wichtige Selbst- und Sozialkompetenzen, aber auch Fach- und Methodenkompetenzen. Grundsätzlich treffen Eltern im Familienalltag auf ähnliche Herausforderungen wie Manager im betrieblichen Kontext. Für beide gilt es, Bewältigungsstrategien permanent zu entwickeln oder weiter zu optimieren. Beide Systeme sind sich damit viel näher, als landläufig gedacht wird und es wird Zeit, dass wir den Fokus darauf richten, wie beide Systeme voneinander lernen können.

    (Bild: zVg) Andreas Link: «Familie ist und bleibt für mich die Urzelle der Gesellschaft, einer jeglichen Zivilisation.»Bild: zVg
    Andreas Link: «Familie ist und bleibt für mich die Urzelle der Gesellschaft, einer jeglichen Zivilisation.»

    Es gibt also viele Fähigkeiten, die man als Mutter oder Vater entwickelt, die man auch im Arbeitsmarkt einsetzen kann?
    Das renommierte deutsche Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat während der Corona-Pandemie eine repräsentative Studie unter Führungskräften durchgeführt. Unter anderem wurde gefragt, welche Kompetenzen Führungskräfte im «New Normal» besonders benötigen. Das Ergebnis ist für Personalfachleute und Führungskräfte wenig überraschend: «Vertrauen» und «Kommunikationsfähigkeit» stehen an erster Stelle, die «Fachkompetenzen» kommen ganz am Ende. Gleichzeitig gibt es eine aktuelle und europaweit einzigartige Studie zum Thema «Elternkompetenzen und Arbeit», welche die Evidenz liefert, dass genau diese Fähigkeiten von erwerbstätigen Eltern in der Erziehung trainiert werden. Der Haken an der Sache aber ist: Beide Studien kommen zu dem Schluss, dass dieser Sachverhalt noch viel zu wenig von den Unternehmen berücksichtigt wird. Die Studien messen so einen «Kompetenzverlust» von bis zu 50 Prozent für das Unternehmen.

    Warum fragen Arbeitgeber nicht ausdrücklich nach diesen Fähigkeiten nach?
    Weil in vielen Unternehmen «Familienfreundlichkeit» häufig nur über Massnahmen definiert wird, aber kaum über eine tatsächliche familienfreundliche Unternehmenskultur. Diese würde dann nämlich bestehen, wenn Arbeitgebende nach diesen Fähigkeiten auch tatsächlich fragen, wenn es sozusagen ein Selbstverständnis wäre. Dazu kommt, dass unsere Gesellschaft so konditioniert ist, dass bezahlte Erwerbstätigkeit mehr Wert ist als unbezahlte Care- und Familienarbeit. Stellen sie sich vor, all diese unbezahlte Familienarbeit würde durch sogenannte «professionelle» Kräfte ausgeübt werden. Die Schweiz wäre innert kürzester Zeit bankrott, abgesehen davon, dass wir die Fachkräfte gar nicht hätten, da wir zum Beispiel jetzt schon Mühe haben, die Fremdbetreuung in den Kitas qualitativ und quantitativ ausreichend zu besetzen. Die Idee vom Staat der alle versorgt ist darum eine Mär.

    Es wird also Zeit, dass die Arbeitgeber sich die Kompetenzen der Eltern nutzbar machen, sie aber auch deutlich mehr anerkennen.

    TOP-Skills ist Ihr Programm. Es soll die Fähigkeiten, die man sich als Eltern erarbeitet hat, «arbeitsmarkttauglich» machen. Wie funktioniert das?
    Das funktioniert durch fünf Schritte, welche wir mit den Seminarteilnehmenden an einem Tag durchgehen und einüben. Der Ansatz basiert auf Theorien des informellen Lernens, welche besagen, dass Erwachsene zu mindestens 80 Prozent informell lernen. Wir zeigen im Seminar, wie diese Fähigkeiten sichtbar gemacht werden, da genau dieses Sichtbarmachen eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Fähigkeiten auch Nutzen und Mehrwert bringen. Weiterhin geht TOP-Skills von einem Enrichment-Ansatz aus. Wir üben mit den Teilnehmenden quasi ein neues Denken ein, welches auf der Annahme basiert, dass Familie und Beruf voneinander profitieren, sich gegenseitig bereichern. In unserer Gesellschaft haben wir diesbezüglich leider nur einen jämmerlich-negativen Ansatz. Natürlich ist es schwer, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, aber wir müssen neu lernen, auch die positiven Aspekte beider Systeme zu sehen. 

    Können Sie ein Beispiel machen? Wie muss etwa eine Mutter konkret vorgehen? Sie muss ganz einfach lernen, das, was sie in konkreten Situation tut, verhaltensnah zu beschreiben. Wenn diese Mutter zum Beispiel sagt: «Ich mache mit meinem Kind Schulaufgaben», dann ist das für die Wirtschaft uninteressant und herzlich unkonkret und stereotyp.

    Es tönt aber schon ganz anders, wenn die gleiche Mutter erklärt: «Ich habe mir gemeinsam mit meinem Kind zunächst einen Überblick über Lernstand- und Lernziele verschafft. Dann haben wir gemeinsam die Schularbeiten besprochen und einen zeitlichen Umfang definiert, in welchem mein Kind diese erledigt haben sollte. Weiterhin habe ich meinem Kind angeboten, dass es bei Fragen jederzeit auf mich zukommen kann. Abschliessend habe ich mein Kind gebeten, mir das Ergebnis nach Fertigstellung zu zeigen». 

    Müssen auch Arbeitgeber etwas machen? In einem Arbeitsmarkt mit zunehmenden Fachkräftemangel werden Arbeitgebende verstärkt gezwungen, auf individuelle Wünsche der Mitarbeitenden (Homeoffice, Arbeitszeiten) einzugehen. Sie sollten beginnen, einen «Gegennutzen» daraus zu ziehen. Das bedeutet zum Beispiel verstärkt Teilzeitmodelle für Eltern anzubieten, im Gegenzug diese aber dazu animieren, die in der «anderen Welt» angewandten Kompetenzen ins Unternehmen zu transferieren. Das beginnt ganz einfach mit der Frage im Personalgespräch: Wie können wir von ihren Fähigkeiten als Papi oder Mami profitieren? Wie könnten sie Kompetenzen diesbezüglich in ihre Arbeit einfliessen lassen? Diese Fragen würden den Prozess verstärken und ausserdem den Eltern Wertschätzung für ihre Elternrolle entgegenbringen. Wenn Eltern das erleben, werden sie es dem Betrieb zurück geben, auch wirtschaftlich, davon bin ich überzeugt.

    Funktioniert das Programm schon? Welche Erfahrungen haben die Teilnehmer gemacht? Das Programm wurde quasi während der Pandemie entwickelt und wurde auch ein wenig vom Gleichstellungsbüro in Bern gefördert. Inzwischen haben wir einige Seminare sowohl für Eltern, als auch für Unternehmen durchgeführt. Um das Programm näher kennen zu lernen, bieten wir auch regelmässig gratis Webinare für beide Zielgruppen an. Von den Teilnehmenden haben wir bisher nur positives Feedback erhalten und es tut gut, wenn man hört: «sie müssen das bekannter machen» oder «endlich habe ich mich für einmal richtig ernst genommen gefühlt in meiner Rolle als erwerbstätige Mutter oder Vater».

    Wie wird das Ganze finanziert? Wir konnten in der Einführungsphase wie gesagt Mittel vom Bund erhalten, aber auch Sponsoringbeiträge von Unternehmen. Diese Förderungen sind nun ausgelaufen und wir sind als kleinere Stiftung daher auf eine Finanzierung durch die Beiträge der Teilnehmenden angewiesen.

    Die Schweizerische Stiftung für die Familie ist Trägerin des Programms. Können Sie etwas zur Stiftung sagen? Wir werden nächstes Jahr 25-jährig! Entstanden ist alles aus dem 19. Internationalen Familienkongress in Luzern mit damals über 3’000 Besuchern. Unsere Arbeit basiert auf einem christlichen Menschenbild. Dazu gehört, dass wir Familie als Kernzelle des Staates sehen, die unbedingt schützenswert und einzigartig ist. Zum Glück sieht das unsere Bundesverfassung genauso. 

    Ganz allgemein: Was bedeutet für Sie Familie? «Ort der Liebe und des geschützten Aufwachsens», wie es in unserem Selbstverständnis formuliert ist. Familie ist und bleibt für mich die Urzelle der Gesellschaft, einer jeglichen Zivilisation.

    Interview: Henrique Schneider

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    Zur Person: Andreas Link, 50, leitet seit 2018 die Schweizerische Stiftung für die Familie. Darüber hinaus arbeitet er als freiberuflicher Stiftungsberater mit unterschiedlichen Mandaten in den Schwerpunkten Kommunikation, Organisationsberatung, Fundraising und allgemeines Stiftungsmanagement. Er lebt mit seiner Frau und den drei Kindern in Deutschland und arbeitet in der Schweiz.

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